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Kreuzwort

Was der Herbst uns sagt

Ich liebe den Spessart im ernster werdenden Herbst.

An den unendlich vielen Gelb-, Grün- und Rottönen kann ich mich nicht satt sehen. Ich liebe diese überwältigende Symphonie der Farben sowohl, wenn die Sonne scheint als auch, wenn es wolkenverhangen ist. Im milden Herbstlicht ohne Sonne betrachte ich die Farbenpracht im Detail. Im Glanz der Sonne fasziniert mich eher das Panorama der Farbenexplosion. „In Pracht und Schönheit bist du gekleidet. Licht ist dein Kleid, das du anhast.“ So gießt einmal jemand seine Faszination in Worte (Psalm 104) und kann nicht umhin, sie als Schöpferanrede zu formulieren.

Ich liebe den Spessart im Herbst. Er ruft in mir eine stille Dankbarkeit hervor und eine Antwort an den, der all dies hervorgerufen hat, woran sich meine Augen weiden. Es ist aber auch ein anderes Gleichnis, das mir die bunten Laubwälder sanft, aber nachhaltig zuflüstern. Es ist die Realität der Vergänglichkeit. So wie Millionen Blätter zu Boden fallen, so werde auch ich unweigerlich welk und schwach – nicht ohne zuvor zu einer gewissen Schönheit reifen zu dürfen. „Alles in allem muss brechen und fallen“, dichtet Paul Gerhardt. Auch ich muss fallen. Es ist gut, wenn ich ein Ja dazu finde; wenn ich meinen begrenzten Lebensbogen dankbar annehme.

Vor wenigen Tagen haben wir die Mutter meiner Frau im Sterben begleitet. Fünf Wochen Krankenhaus. Auf und Ab. Schläuche und Maschinen. Hoffen und Bangen. Im ernster werdenden Herbst. Aber eben auch Zuwendung und Zuspruch. Berührungen und Gebete. In allem getragen. „Alles vergehet, Gott aber steht / ohn alles Wanken; seine Gedanken, sein Wort und Wille hat ewigen Grund.“ Der Grund, weshalb ich lebe. Der Grund, auf dem ich stehe. Der Grund, auf den ich mich fallen lassen kann, wenn ich verwelke. „Kreuz und Elende / das nimmt ein Ende; nach Meeresbrausen und Windessausen / leuchtet der Sonnen gewünschtes Gesicht.“ Es ist verborgen, was wir sein werden. Das Vorbild und der Prototyp gewissermaßen ist Jesus Christus, der Erlöser alles Welken und der Erste in der Auferstehung. Ihm können wir uns anvertrauen lernen.

Till Roth, evangelischer Dekan in Lohr a. Main