Eisingen (POW) Der Kassettenrekorder ist fein säuberlich zerlegt: Platinen, Schaltknöpfe, der Kassettenschacht und die Lautsprecher sind nur noch durch ein paar Drähte verbunden. Kein Laie würde sich zutrauen, ihn wieder zusammenzubauen. Dennis kann es. Er ist geistig behindert.
Der Radiorekorder auf dem kleinen Holztisch ist ein Beispiel für die erstaunlichen Fähigkeiten, die Menschen mit geistiger Behinderung besitzen. Daneben hängt ein großer Jahreskalender mit rund hundert Geburtstagsterminen. Für manche geistig Behinderten kein Problem, sich jeden einzelnen zu merken, oder gar für die nächsten paar Jahre den Wochentag vorauszurechnen.
Die Stärken und Talente dieser Menschen und ihre täglichen Ängste und Schwierigkeiten zeigt eine Ausstellung mit dem Titel „Geistig behindert ist auch normal“ im Eisinger Sankt-Josefs-Stift. Schüler der Würzburger Dr. Maria-Probst-Schule für Heilerziehungspflege haben sie zusammengestellt. Am Freitag, 15. März, wurde sie der Öffentlichkeit präsentiert.
Drei Räume mit viel Material zum Anfassen und Erleben sind als Ergebnis einer europäischen Projektwoche für angehende Heilerziehungspfleger entstanden. Zusammen mit Kollegen aus der Schweiz setzten die Schüler im zweiten Ausbildungsjahr praktisch um, was sie seit September 2001 in der Fachschule über das Lebensgefühl geistig behinderter Menschen erfahren haben. Stärken und Schwächen werden gleichzeitig deutlich.
Die Anschaulichkeit ist frappierend: Auf Russisch, Polnisch, Türkisch, Italienisch, Spanisch und Türkisch hallt es durch den Kopfhörer. Vermeintlich einfach Sätze. „Für manche Behinderten stellt es schon eine Herausforderung dar, einer einfachen Unterhaltung zu folgen. So wie es uns eben bei einer unbekannten Fremdsprache schwer bis unmöglich wird“, sagt Corinna Fuchs. Die Klassenlehrerin an der Dr. Maria-Probst-Schule hat das Projekt gemeinsam mit ihren Dozenten-Kolleginnen Elfriede Erk und Michaela Bopp-Löhr begleitet. Großen Wert haben sie darauf gelegt, nicht nur die Defizite der Klienten aufzuzeigen.
„Bei den meisten Sachen bin ich aber ganz normal. Ich lache gerne, mache gerne Witze, bin traurig oder wütend, genauso wie alle anderen Menschen auch.“ So ist es auf einer Litfasssäule in einem der Ausstellungsräume zu lesen. Der Satz stammt von einem Menschen mit Down-Syndrom. Wie kreativ geistig Behinderte sein können, zeigen die Gemälde einiger Heimbewohner. Kräftige Farben und abstrahierte Formen wirken auf den Betrachter bewusst eingesetzt. Schaukästen, in denen Zeitungsausschnitte spiegelverkehrt, Bilder von Menschen nur durch einen zerbrochenen Spiegel sichtbar sind, zeigen die Schwierigkeit der verdrehten Welt, in der sich die Behinderten oft wiederfinden.
Doch die Probleme liegen nicht nur bei den Behinderten selbst: Mehrere Dutzend Augenpaare bedrängen den Besucher im Schwarzlichtraum und machen deutlich, wie sehr sich die Behinderten oft ausgegrenzt und angestarrt fühlen. Wie umgänglich und herzlich die oft Ausgegrenzten sein können, verdeutlicht ein Video, das Szenen aus dem Alltag in verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe und lachende Gesichter zeigt. Dem Mann mit dem Down-Syndrom, der sich als ganz normal bezeichnet, sitzt jedenfalls der Schalk im Nacken, lassen die Texte auf der Litfasssäule vermuten. „Was ist der Unterschied zwischen einer Giraffe und einem Keks? Kekse kann man in Kaffee tauchen.“
Die Ausstellung im Michael-Herberich-Haus des Sankt-Josef-Stifts Eisingen ist am Samstag, 6. April von 14 bis 17 Uhr, am Sonntag, 7. April, von 12 bis 15 Uhr geöffnet. An Christi Himmelfahrt, 9. Mai, ist ganztägig geöffnet. Der Eintritt ist frei. Für interessierte Gruppen sind Führungen mit fachlicher Beratung möglich. Termine und Anmeldung im Sankt-Josefs-Stift, Telefon 09306/209207.
(1202/0357; Telefax voraus)
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