Zell am Main (POW) Geübt schlingt sich Linus Schaab den gelben Umhang um die Schultern. „Bei der Frau Merkel war ich noch nie“, gesteht der zehnjährige Schüler, während er sich ein weißes Tuch wie ein Beduine auf den Kopf legt und mit einer roten Kordel befestigt. Aufgeregt sei er schon ein bisschen. Aber wirklich nur ein bisschen, betont Linus. Extra zum Friseur wolle er im Vorfeld nicht. Lieber mache er sich Gedanken, wie er für all seine Klassenkameraden Autogramme von der Bundeskanzlerin bekommt.
Linus ist einer von vier Sternsingern aus der katholischen Pfarrgemeinde Sankt Laurentius in Zell am Main (Landkreis Würzburg), der die Diözese Würzburg am 5. Januar beim Sternsinger-Empfang von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin vertritt. Begleiten werden ihn Sonja Klafke (11), Paula Klafke (8), Marie Nenner (11) und Betreuer Carsten Klafke. Schon jetzt bereiten sich die Schüler auf das bedeutende Ereignis in der Bundeshauptstadt vor. Im Pfarrheim müssen die richtigen Kostüme gefunden und passende Kronen gebastelt werden.
Vorsichtig nimmt Sonja den mit einem prächtigen Gewand behangenen Bügel von der Stange. „Dieses Kostüm habe ich letztes Jahr zusammen mit meiner Mutter genäht“, erklärt die Schülerin stolz. Dazu habe sie „Himmel-Stoff“ aus der Kirche und ein brokatähnliches Textil in goldener Farbe verwendet. „Sehr edel“, kommentiert Sonja, „für die Kanzlerin genau das Richtige“.
Dass das Sternsinger-Quartett in die Bundeshauptstadt fahren darf, hat es Sonja zu verdanken. Sie löste das Sternsinger-Wettbewerb-Rätsel der 54. Aktion Dreikönigssingen. Der erste Preis war der Empfang bei der Kanzlerin. „Gallo Pinto kam beim Quiz heraus. Ich habe das Wort erst einmal nachgeschlagen, bevor ich die Antwort abgeschickt habe“, erklärt Sonja. Kein Wunder, verbirgt sich hinter dem Lösungswort der Name des Nationalgerichts von Nicaragua. Das lateinamerikanische Land ist das Beispielland der Aktion 2012, die das Leitwort „Klopft an Türen, pocht auf Rechte!“ trägt.
Während Sonja und Marie ihre Kostüme anprobieren, besprechen sie die Reise. Am 4. Januar geht es mit dem Zug nach Berlin. „Schon während der Fahrt dürfen wir sammeln“, erklärt Sonja. Nach der Ankunft geht es zur Jugendherberge, wo alle 108 Sternsinger aus den 27 deutschen Diözesen untergebracht sein werden. „Wir haben ein Gruppenzimmer, da lernen wir bestimmt auch andere Sternsinger kennen“, freut sich Marie und hängt sich eine silberne Kette um den Hals. Am Morgen des 5. Januar holt schließlich der Bundesgrenzschutz die Sternsinger ab und bringt sie zur Eucharistiefeier in die Sankt Ansgar-Kirche. Im Anschluss daran geht es ins Bundeskanzleramt zum Empfang und einem Mittagessen. „Hoffentlich gibt es von der Frau Merkel auch etwas Süßes“, sagt Marie, die sich einen blau-gold-gemusterten Turban auf den Kopf setzt. Und genau wie Linus hofft auch Marie auf Autogramme von der Bundeskanzlerin. „Wir haben schon überlegt, dass wir uns zur Not doch nur eins geben lassen und es dann ganz oft kopieren“, erklärt die Elfjährige verschmitzt.
Rund 30 Sternsinger sammeln in der Pfarrgemeinde Sankt Laurentius in Zell am Main jedes Jahr Spenden für arme Kinder in der Welt. Dass die Wahl für die Berlinfahrt auf genau die vier Kinder gefallen ist, war kein Zufall. „Die vier sind die engagiertesten und erfahrensten Sternsinger“, erklärt Betreuer Carsten Klafke. Seit 2008 beteiligen sich die Zeller an der Aktion des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“ und des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Und seit 2008 sind Linus, Sonja, Marie und Paula mit von der Partie.
„Ich bin glücklich, dass den Kindern solch eine Ehre zu Teil wird“, freut sich Pfarrer Dr. Christoph Dzikowicz, der das eifrige Treiben im Pfarrheim beobachtet. Er wolle vielleicht auch mit nach Berlin fahren. „Es freut mich, dass die Kinder hier ausgesucht wurden. Das passiert nicht oft.“
(0112/0014; E-Mail voraus)
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Veröffentlicht: 28.12.2011
Vanessa Biermann (POW)
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