Anfang des Jahres bekam ich eine Mail mit dem Betreff: „save the date“. Es war die Einladung ehemaliger Mitschüler zum Wiedersehen 40 Jahre nach dem Abi. Also habe ich mir das Datum mal in den Kalender geschrieben.
Ende September war es soweit: Das Abi-Treffen stand an, ABI84. Ich bin nach Reutlingen gefahren und war gespannt, wen ich wiedersehen würde. Kontakte zu Mitschülern hatte ich seit Jahrzehnten keine mehr. Über viele Umwege hat es mich nach dem Abitur nach Würzburg und Kreuzwertheim verschlagen.
Und dann habe ich sie wieder getroffen: Martin, Claudia, Knaufi, Tina, Klaus, Brigitte, Kalublo, Bäte - und wie sie alle heißen. Und von beinahe niemanden wusste ich, was sie nach der Schule gemacht und erlebt haben.
Zuerst war ich einfach nur gespannt darauf, meine Mitschüler nach so langer Zeit wieder zu erleben. Doch später kreisten mir ganz verschiedene Gedanken durch den Kopf: Welche Träume hatte ich nach dem Abitur? Was davon habe ich seitdem erreicht?
Und damit sind wir bei der ersten großen Frage: Wonach bewerte ich eigentlich mein Leben? Habe ich es geschafft, wenn ich im Eigenheim wohne? Zählen Kinder und Familie mehr als der Beruf? Sollte ich um die Welt gereist sein oder einfach ein großes Auto fahren? Darauf werden die meisten nach 40 Jahren eine Antwort gefunden haben – oder die Antwort hat sie gefunden. Denn nicht alles im Leben ist planbar. Der Zufall spielt meistens eine große Rolle: Glück in der Liebe, ein Unfall beim Sport, der Umzug nach Würzburg – vieles geschieht unerwartet.
Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger geht es mir darum, mich mit anderen zu messen. Ich gönne jedem seine Erfolge und will im Kopf nicht ständig vergleichen. Jeder wird sich ein gutes Leben etwas anders vorstellen. Ich habe mich damals ganz bewusst für ein Physikstudium
entschieden. Das galt noch nie als besonders cool. Als ich 20 Jahre später mitten in der Ausbildung zum Diakon gewesen war, hat das auch niemanden in Ekstase versetzt.
Die zweite Frage, die mich beschäftigt, lautet: Wie verändern sich Menschen mit den Jahren? Wen erkenne ich nach 40 Jahren noch an seiner Mimik und Gestik, an seinem Lachen? Wer war laut, ist nun leise? Wer war wild, ist nun brav? Oder bleiben wir doch dieselben?
Hoffentlich konnten und können viele ihr Potenzial ausschöpfen. Denn glücklich kann ich sein, wenn ich die Talente nutze, die in mir schlummern. Wenn ich mit den Jahren verstehe, was mich ausmacht, und meine Grenzen und meine Stärken kenne. Und über die vielen Wunder staunen kann, die mir zwischen Himmel und Erde begegnen.
Thomas Pfeifer
Diakon in der katholischen Pfarreiengemeinschaft Haseltal-Himmelreich im Pastoralen Raum Marktheidenfeld